Human Depth: Die fünf Dimensionen, die keine KI ersetzt

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Wer heute über künstliche Intelligenz spricht, landet fast zwangsläufig bei der einen, großen Frage: „Ist mein Job sicher?“ Doch eine aktuelle Untersuchung legt nahe, dass wir damit am Kern des Wandels vorbeireden.
Der eigentliche Umbruch findet nicht auf der Ebene von Berufsbezeichnungen statt, sondern viel tiefer – im Maschinenraum unserer täglichen Aufgaben.
Forschende des MIT Sloan School of Management haben hierfür einen neuen Blickwinkel entwickelt, der die Diskussion von einer reinen Automatisierungsdebatte hin zu einer differenzierten Betrachtung menschlicher Qualitäten verschiebt: das EPOCH-Framework.

Von der Berufsbezeichnung zur Aufgabe

Lange Zeit wurde versucht, ganze Berufsgruppen in „gefährdet“ oder „sicher“ einzuteilen. Das Problem dabei: Ein Job ist nie monolithisch. Er ist ein Bündel aus hunderten kleinen Tätigkeiten. Die Forschenden Isabella Loaiza und Roberto Rigobon schlagen deshalb vor, Arbeit durch zwei völlig unterschiedliche Linsen zu betrachten.
Die erste Linse ist technischer Natur: Die Exposure Rubric. Sie misst schlicht, wie „erreichbar“ eine Aufgabe für eine KI ist. Kann ein Modell den Text schreiben? Kann es die Daten berechnen? Ist die Antwort „Ja“, gilt die Aufgabe als exponiert.
Doch hier endet die Analyse oft vorschnell. Denn hohe technische Machbarkeit bedeutet nicht automatisch, dass der Mensch überflüssig wird. Hier kommt die zweite Linse ins Spiel.

Der Faktor Mensch: Das EPOCH-Framework

Die entscheidende Variable ist nicht, was die Maschine kann, sondern welche menschliche Tiefe („Human Depth“) eine Aufgabe verlangt, um wertvoll zu sein. Das Team entwickelte das Akronym EPOCH, um fünf Dimensionen zu beschreiben, in denen menschliche Qualitäten schwer zu ersetzen sind – selbst wenn die Aufgabe technisch unterstützt werden könnte.
  • E – Empathy (Empathie):
    • Aufgaben, die emotionales Verständnis und Resonanz erfordern. Eine KI kann eine Diagnosemail formulieren, aber das Überbringen einer schwierigen Nachricht verlangt das Spüren des Gegenübers. Wo emotionale Intelligenz den Wert der Arbeit bestimmt, bleibt der Mensch zentral.
  • P – Presence (Präsenz):
    • Tätigkeiten, die an physische Anwesenheit oder das Pflegen eines vertrauensvollen Netzwerks gebunden sind. Es geht um die Glaubwürdigkeit, die entsteht, wenn eine echte Person „da“ ist und Verantwortung übernimmt.
  • O – Openness & Ethics (Offenheit und Ethik):
    • Situationen, die moralisches Urteilsvermögen in Grauzonen verlangen. Algorithmen optimieren auf Ziele, aber Menschen müssen entscheiden, ob diese Ziele richtig sind. Ethische Wächter*innen werden dort gebraucht, wo es kein eindeutiges „Richtig“ oder „Falsch“ aus Trainingsdaten gibt.
  • C – Creativity (Kreativität):
    • Hier ist nicht die bloße Variation von Bestehendem gemeint, sondern echte originäre Schöpfungskraft und Vorstellungskraft. Während KI exzellent darin ist, Muster neu zu kombinieren, bleibt der Impuls für radikal Neues oft menschlich.
  • H – Hope & Vision (Hoffnung und Vision):
    • Die Fähigkeit, eine Zukunft zu entwerfen und andere dafür zu begeistern. Leadership bedeutet oft, Hoffnung zu vermitteln, wo Daten nur Risiken zeigen.

Co-Intelligence statt Verdrängung

Diese differenzierte Betrachtung führt zu einer spannenden Einsicht: Aufgaben mit hoher technischer „Exposure“ (die KI kann es) und gleichzeitig hohen EPOCH-Werten (der Mensch ist wichtig) sind keine Kandidaten für Wegrationalisierung. Sie sind die idealen Felder für Augmentation.
In diesen Bereichen entsteht das, was wir als Co-Intelligence bezeichnen können. Die Technologie übernimmt die kognitive Last der Informationsverarbeitung, während der Mensch sich voll auf die EPOCH-Dimensionen konzentriert – auf Urteilskraft, Empathie und Vision.
Für Organisationen bedeutet das: Statt zu fragen, welche Stellen ersetzt werden können, lohnt sich der Blick darauf, wie Aufgaben neu zugeschnitten werden müssen. Ziel ist es nicht, den Menschen aus dem Prozess zu entfernen, sondern ihn dort zu stärken, wo seine spezifische Tiefe den Unterschied macht.

Quellen:
Loaiza, Isabella and Rigobon, Roberto, The EPOCH of AI: Human-Machine Complementarities at Work (2024, Update October 1st 2025). MIT Sloan School of Management.
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© Niels Anhalt 2025